Und plötzlich nicht mehr Pirat sondern bei der FDP?

Seit 2009 war ich Mitglied der Piratenpartei Deutschland, ich bin in der Welle nach der Europawahl 2009 eingetreten und war schnell begeistert von dieser neuen Art Politik zu machen, von dem Versprechen mitgestalten zu können, sich einbringen zu können. Und die Piraten in Osnabrück haben mir den Einstieg auch sehr einfach gemacht und das Versprechen wurde innerparteilich auch sofort gehalten. Direkt am Wochenende nach meinem ersten „Stammtisch“ hatte ich den Infostand, bzw. im Grunde das gesamte Inventar der Osnabrücker Piraten im Kofferraum und stand danach auch direkt mit am Infostand.

Und so rutschte man beim Mitmachen immer tiefer hinein, fuhr zu Parteitagen, machte dann Beitrittswellen, Wahlerfolge und Misserfolge mit, übernahm innerparteilich im Kreisvorstand Verantwortung und riss so einige tolle Wahlkämpfe in und um Osnabrück. Diese waren nicht immer als erfolgreich anzusehen aber immerhin konnten wir zwei mal hintereinander einen Piraten in den Rat der Stadt Osnabrück bringen. Auch die Menschen im Kreis- und Landesverband machten einem die Arbeit und das Zusammensein sehr angenehm oder, um es im passenden Jargon, zu sagen „flauschig“. Weit weg von Osnabrück schienen die Probleme mit denen man normalerweise als Pirat in Gesprächen konfrontiert wird (Chaoshaufen, zerstritten, Ein-Themen-Partei)

Und so wirft man dann immer wieder gerne auch trotz Fehlschlägen seinen Hut in den Ring und arbeitet als Basismitglied, im Kreisvorstand oder kandidiert bei Wahlen. So auch 2011 und 2016 bei den Kommunalwahlen in meinem Wohnort Wallenhorst.

Doch „die Dinge“ ändern sich, nicht nur in der Piratenpartei sondern auch privat und nicht nur bei mir sondern auch bei anderen. So kam es, dass inmitten der Coronapandemie langsam aber sicher die Kommunalwahlen 2021 auf mich, die Piraten und uns alle zukamen. Für micht persönlich hatte ich diese schon abgeschrieben, ich wusste wie viel Zeit ich vor 5 Jahren in Organisation, Aufstellungsversammlung, Wahlanmeldung, dem Sammeln von Unterstützerunterschriften, dem gemeinsamen Schreiben eines Wahlprogramms, dem Aufhängen von Plakaten, dem Besuchen von Podiumsdiskussionen und vielen weiteren Dingen gesteckt habe. Habe ich diese Zeit dieses Jahr oder sind mir andere, private Dinge wichtiger? Die letzten beiden Wahlen hat es mit dem Einzug in den Gemeinderat schon mit der Zeit nicht geklappt und ich jetzt soll es mit weniger klappen können, das könnte man sich ja von vornherein sparen.

In diese Überlegungen hinein, oder eigentlich schon am Ende dieser Überlegungen, sprach mich Markus Steinkamp an. Markus ist 2016 für die FDP in den Gemeinderat gewählt worden und im Laufe der vergangenen 5 Jahre hatten wir mehrfach Kontakt, ich besuchte einen Stammtisch der FDP Wallenhorst und war in deren Online-Sitzungen anwesend. Er fragte mich, ob ich Interesse hätte, als parteiloser Kandidat auf der Liste der FDP zu kandidieren. Und jetzt begannen die Überlegungen erneut.

Warum kandiert man für ein öffentliches Amt? Weil man denkt, man kann es besser als andere? Weil man es „denen da oben“ mal zeigen möchte? An einem geselligen Stammtisch kann ein solcher Plan ja mal reifen, dies ist aber nicht der meine.

Ich kandidierte aus denselben Gründen aus denen ich der Piratenpartei beitrat und aktiv dort mitarbeitete: Ich glaubte und glaube, dass Politik einbinden muss, dass Politik ein Werkzeug sein muss. Keine Politik um der Politik wegen oder um den Karrieren der politischen Akteure einen Hintergrund zu geben. Eine Politik die ermöglicht, dass Menschen ihre Talente ausleben können, sich in unsere Gesellschaft so einbringen können wie sie es wollen. Dafür muss Politik die Werkzeuge schaffen, die Werkzeuge pflegen (lassen) und weiterdenken. Eine Informationsfreiheitssatzung und das Streaming der Ratssitzungen sind schon seit Jahren und nicht erst seit „Beginn der Pandemie“ ein Thema. Und nicht nur fordert die FDP Wallenhorst dies in Ihrem Wahlprogramm sondern ich denke aufgrund der Offenheit ihrer Strukturen und Arbeitsweise, der Arbeit im Gemeinderat der letzten 5 Jahre und dem Team, das zur Wahl aufgestellt wurde sind diese Themen, die mir wichtig sind, hier auch stark vertreten. Auch in den Bereichen Datenschutz und Bürgerrechte fallen jedem wahrscheinlich recht schnell mindestens zwei Namen ein, die hier aus Reihen der FDP von sich Reden gemacht haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Punkte, die mir die Entscheidung nicht leicht gemacht haben. So hat sich in meinen Augen die FDP auf Bundes- und Landesebene nicht gerade durch soziale Politik hervorgetan, die Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent von 2009 klingelt immer noch als Beispiel für typische Klientelpolitik in meinen Ohren. Möchte ich diese Politik durch meine (zugegeben kleine) Person unterstützen? Mache ich dies überhaupt wenn ich auf kommunaler Ebene für die FDP kandidiere?

Ich habe mich, wie man ggf. schon mitbekommen hat, dafür entschieden. Eine Kandidatur auf kommunaler Ebene ist genau das, ein Angebot auf Kommunaler Ebene sich selber, seine Ideen und Talente ggf. im Team mit anderen zur Verfügung zu stellen. Weil man selber der Meinung ist, das ist etwas gutes für Wallenhorst, etwas gutes für den Landkreis Osnabrück. Man macht ein Angebot und wirbt dafür, dass andere dieses Angebot annehmen. Und natürlich halte ich es für eine gute Idee mich am 12. September 2021 zu wählen, egal mit welchem Label.

Ein Absatz noch zum Schluss: Ich halte es weiterhin für notwendig, dass eine Partei wie die Piratenpartei in den Räten und Parlamenten vertreten ist. Eine Partei die einen klaren Fokus auf Bürgerrechten, einer transparenten Verwaltung und der digitalen Wirklichkeit hat. Eine Partei, die aus den Parlamenten heraus auf diese Themen aufmerksam machen kann und ein Teil der Werkzeugkiste für die Gestaltung unserer Gesellschaft ist. Und wenn die Ressourcen auf meiner Seite wieder da sind wirke ich gerne wieder daran mit.


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